Jazzhausjournal Mai 1998

jjaug98g.jpg (52134 Byte)Editorial

"Funky Dance Nights" im Jazzhaus oder mit Jazz mutig in die Zukunft

"Ich wünschte, ich hätte Deinen Mut und würde es wagen, meine Musik immer wieder zu verändern." Sagte John Coltrane zu Herbie Mann in den 70ern (Jazz Podium Nr. 7). Der erwiderte: "Jazz wird ständig improvisiert, verändert sich also laufend, wie sich alles im Leben wandelt. Wir befinden uns nicht in einem Vacuum, sondern in einer Welt, die sich bewegt. Je mehr man sieht und hört, je mehr sich das Leben wandelt, desto mehr muß man sich selbst verändern - und die Musik". Mutige, richtungsweisende Worte eines Innovators und Grenzgängers des Jazz, ausgesprochen schon in den 70ern, als u.a. Miles Davis mit Larry Coryell, Herbie Hancock, Ron Carter, Tony Williams, Chrick Corea, Jack DeJohnette, Wayne Shorter, Joe Zawinul und Dave Holland die Jazz-Welt veränderten.

Und es gab sie schon immer, Jazz-Protagonisten, die den soulig-funkigen Groove bevorzugten. Ob es nun Cannonball Adderley, Donald Byrd, Herbie Mann, Lou Donaldson, Stanley Turrentine, Les McCann, Horace Silver, Eddie Harris oder Roy Ayers u.v.a.m. waren, immer waren es Jazzklänge, zu denen man sich bewegen, oder gar tanzen konnte.

So ist es auch nicht verwunderlich, daß der wohl innovativste und begnadetste Saxophonist Englands Courtney Pine, ein virtuoser Techniker und Vollblutmusiker bis in die kleinste Faser seines durchtrainierten Körpers, der puristischen Fangemeinde bis heute suspekt bleibt. Am 05.05.1998 war er im Jazzhaus zu erleben, konnte man sich von Courtney Pine’s Definition und Interpretation seines Jazz, der Verbindung von HipHop, Drum ‘n’ Bass, Electronic Dance und klassischem Jazz in höchst eindrucksvoller Weise überzeugen lassen. Pine kann auf dem Alto- und Tenorsaxophon alles, intens "Rasen" wie Coltrane, Sound-Kaskaden entwickeln wie Sonny Rollins oder eher lyrisch-cool, laid-back, spielen wie Lester Young. Er kann aber auch "scatten" auf seinem Sax, es benutzen wie ein Percussions-Instrument. Wie bereits gesagt, Pine ist ein begnadeter Autodidakt, man muß gar nicht mehr erwähnen, daß er auch ein Virtuoso auf der Querflöte ist. Was seine Band, mit dem großen Nachwuchstalent Jeff ‘Tain’ Watts an den Drums, der sehr an George Benson und Wes Montgomery erinnernde Gitarrist Mark Whitfields und die in jeder Beziehung überzeugende Newcomerin der Jazz/Soul-Vokal-Szene Mary Pearce auf Klassikern von "Don’t Explain". "Children Of The Ghetto", "High Five", "Save The Children" bis zu "Tryin’ Times" und "Keep Your Head On", den unterschiedlichsten Musik-Genres also, zu bieten hatten, das war schon sehr hörenswert.

So far so good. Aber es waren halt auch noch DJ Pogo, mit seinen virtuosen Scratch-Einlagen an Turntables dabei, er "spielt" sein "Instrument" in einer technischen Vollendung, die durchaus gelungene "Soli" hervorbrachte, und DJ Sparki, der gewichtige Computer-Loop-Maestro am PC mit dabei an diesem denkwürdigen Abend und da hört ja bei vielen Jazz-Freunden die "Verständigung" auf. "Diese Musiker haben noch nie in einem solchen Kontext gearbeitet," erklärt Pine. "Anfangs haben sie nur abgehangen und sich miteinander unterhalten. Als Pogo dann seine Turntables anwarf, guckten sie argwöhnisch. Jeder Musiker konnte das, was aus seinem Kopfhörer kam, selbst ansteuern. Und als Pogo zu scratchen begann, liefen sie alle los, um den DJ-Sound herunterzufahren. Aber als sie schließlich sahen, wie ich mit ihm interagierte, drehten sie die Lautsprecher wider höher und gaben ihm eine Chance, gehört zu werden." Musik, die Brücken schlagen will, zwischen Moderne und Tradition, zwischen satten HipHop-Beats und jazziger Improvisations-Brillianz. Energetischer Jazz, der in die Zukunft weist.

Raimund Flöck, der Spiritus Rex der "Funky Dance Night" und anderer "Dance-Events" im Jazzhaus bekommt feuchte Augen, wenn er von seiner Zeit in London als Musikjounalist bei der BBC berichtet und seiner Live-Begegnung mit dem Paten des Funk-Jazz-Dance Roy Ayers in London’s Jazz Tempel "Ronnie Scotts". Genauso ging es mir auch, an gleicher Stelle, Ayers steht, wie nur wenige, für die einen völlig überwältigende Verbindung aus tanzbaren funky Grooves und klassischem Jazz, siehe auch die Cult-CD ‘NuYorican Soul’. Seit 5 Jahren spielt Flöck nun gegen die Strömungen des Zeitgeistes, macht er eine innovative Dance Night, die keinen abgenudelten Techno bringt, die nicht gebetsmühlenartig Chart-Titel an Chart-Titel reiht, sondern - "wir machen keine Disco-Veranstaltung" - mit schon heute "sagenhaftem" Erfolg, 70er und 80er Afro-Funk, Soul, Latin, aber halt auch traditioneller Jazz mit TripHop und Drum ‘n’ Bass verbindet, durch immer andere Mixturen und Verschachtelungen "neue" Titel kreiert und eine immer noch wachsende Fangemeinde zum Grooven bringt.

Seine Helden sind der Jazz-Funk Poet Gill Scott-Heron (am 19.05. live im Jazzhaus), der gerade wiederentdeckte Soul-Bruder Terry Callier, James Brown, der unverwüstliche, Cymande, der ehemalige Prince-Bassist mit seiner Afro-Funk-Rock-Band aus den West Indies, oder der Re-Innovator der Soul Musik Sly And The Family Stone, aber auch die fast vergessene und doch so großartige Minnie Ripperton.

Schon bald wird Raimund Flöck die Samstagabende im Jazzhaus mit einem neuen, dem veränderten "alten" Konzept bestreiten. Visiting DJs von Weltruf, aber auch TripHop-Stars wie schon Nicolette von Massive Attack, oder Kruder & Dorfmeister (am 16.05. live im Jazzhaus) sollen auflegen, später ist geplant, Live-Acts auftreten zu lassen. Raimund Flöck sagt: "Jazz lebt gerade wieder mehr denn je, halt nur in veränderter Form" - nämlich der Jazz als Ideengeber, als Sample (Oh Schreck’, Oh Graus’) und als ganz normales, klasisches Vinyl-Stück zwischen funkigen Grooves. Und so lesen sich in der Insider-Bibel "Straight No Chaser", also "Pur ohne Verdünnung", die Jazz-Jive-Charts wie ein Mosaik aus den unterschiedlichsten Einzelteilen: da findet man neben Roni Size, DJQ, Freestylers, die Klassiker Art Blakey, Art Farmer oder Terry Callier. Da wird der Freiburger Rainer Trüby mit seinen persönlichen Top 10 zitiert, dessen Waldsee "Root Down"- Sessions heute schon Kult-Status haben.

Also, es tut sich was in unseren Landen. Der Jazz, die improvisierte Musik wird sich weiterentwickeln. Es werden die unterschiedlichsten Konzepte verwirklicht werden, was sich letzten Endes durchsetzt wird die Geschichte erweisen.

"Funk is the preacher, Jazz is the teacher". So kann man’s auch sehen.

Auf bald, Ihr

Christian H. Hodeige

Programm Mai 1998

Freitag 1 . Funky Dance Night
Samstag 2
12 DM Tollhaus
Sonntag 3 . Rosenstolz
Montag 4 8 DM Big Bands
Roaring 20's
17 Up Jazz Ensemble
Dienstag 5
. Offene Bühne des Folk & Blues Club
Mittwoch 6
30 DM Latin Jazz
Paquito d'Rivera Quintett
Donnerstag 7
26 DM Blues & Soul
Mighty Sam McClain
Freitag 8
28 DM Hip Hop Event & DJ Scare & DJ Kirk/laser Possee
Common / Rascalz
Samstag 9
35 DM Rock & Blues
Roger Chapman
Sonntag 10 Free 16:00 We will rock you (Kinderrockspektakel)
21:00 Session Time
Montag 11 Free Jam Session
der Jazz- und Rockschule Freiburg
Dienstag 12
16 DM Oldtime Country-Blues
Paul Rishell & Annie Rains
Mittwoch 13
16 DM Matalex
Donnerstag 14 18 DM Badi Assad
Freitag 15
. Funky Dance Night
Samstag 16 . Drum & Bass
Kruder & Dorfmeister
Sonntag 17 10 DM Blasorchester meets Jazz & Rock
Montag 18 . Newcomer J&RSF
Stairway to Nowhere
Coreknaben
Dienstag 19 28 DM Soul
Gil Scott Heron
Mittwoch 20
. 20:00 Generalversammlung Jazzhaus e.V.
23:00 House, Drum'n Bass, Hip Hop
"Top Ten"-Djane Club Hamburg
Donnerstag 21
Free Dixie Stammtisch-Session
Freitag 22
28 DM David Lindley & Wally Ingram
Samstag 23
. Tshisungu Kalomba präsentiert
Ngoma Ya Ya
Sonntag 24
Free Session Time
Montag 25 6 DM Widerstände
Dienstag 26 15 DM Bolivianische Folklore
Chacaltaya
Mittwoch 27
18 DM Pop
Stereo Total
Donnerstag 28
. Hotter than Six Jazz Band
Freitag 29 16 DM Ska
Dr Ring Ding & The Senior Allstars
Samstag 30
. Geschlossene Gesellschaft
Sonntag 31 24 DM Fiesta Caliente Sudamericana

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