Jazzhausjournal Januar 1998

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Horace Silver and Waldi’s "Thoughts On Jazz"

Die frühen Einflüsse auf den 1928 geborenen Pianisten Horace Silver waren vielfältig. Sein Vater, von portugiesischer Abstammung, brachte ihm Cape Verdeanische Folkmusik nahe, während und nach der Schulzeit erlebte er viele Stilrichtungen, über den Blues, zum Boogie-Woogie, vom traditionellen Jazz zu Bop, hier sind besonders Thelonious Monk und Bud Powell zu nennen. So war es Stan Getz, der Silver in den frühen 50ern einlud, ihn auf seiner Tour durch die USA zu begleiten.

Als Silver nach New York zog, spielte er als "freier Mitarbeiter" bei Coleman Hawkins, Lester Young, Oscar Pettiford und Art Blackey. Er war es auch, der die Jazz Messengers mit Art Blackey mit begründete und zwischen 1953 und 1955 regelmäßig mit ihnen Platten aufnahm und durch die Lande tourte. Seit 1952 nahm ihn das legendäre Blue Note Label unter Vertrag, eine Beziehung die 28 Jahre halten sollte.

1956 war das Jahr in dem sich Horace Silver entschloß mit einen eigenen Quintett, als Bandleader fortan (fast) nur noch eigene Kompositionen zu spielen und Blackey und die Jazz Messengers zu verlassen. Silver hat den Modernen Jazz, nach Bill Dobbins in The New Grove Dictionary of Jazz, auf wenigstens vier Feldern nachhaltig geprägt: erstens war er einer der Pioniere des Hard Bop, einer Variante des Bebop, die Elemente des Rhythm&Blues, des Gospel und, heute würde man sagen, des Funk mit Jazz vereinte, damit Pianisten wie Les McCann oder Ramsey Lewis maßgeblich beeinflußte, zweitens hat er mit seinem Quintett, Trompete, Tenor Saxophon, Piano, Kontrabass und Drums, eine Konzertfrom geschaffen, die es auch kleineren Jazz-Outfitts ermöglichte in großen Sälen zu spielen, drittens war er ein Talentscout der besonderen Art, wie übrigens auch Blackey bis an sein Lebensende, so verdienten sich Donald Byrd, Art Farmer, Blue Mitchell, Woody Shaw, Benny Golson und Joe Henderson ihre ersten Sporen bei Silver, und schließlich viertens waren es die Kompositionen und Arrangements die Silver auf einen Jazz-Standart anhob, wie man es vor seiner Zeit nicht kannte. Sein Werk war immer eine Kombination aus Einfachheit und Hintergründigkeit, unterlegt mit schwierigsten, schnellen und komplexen Rhytmen, die sich aber immer ganz "natürlich" anhörten. Einen schönen Einstieg in sein Werk ist die letzte Veröffentlichung (1997) - A Prescription For The Blues - mit Michael Brecker an Tenorsax, Randy Brecker an Trumpet, Ron Carter (Wer sonst?) an Bass und Louis Hayes an Drums ( Impulse 11105 12382). Dieses Rezept lohnt!

So war es wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit bis der Freiburger Modern Jazz Pianist Waldi Heidepriem, der es gar nicht mag ein Bopper genannt zu werden, mit seinen "Tenor Battles" auch das Werk von Silver seinem Konzertpublikum vorstellen würde. Und was war das für ein denkwürdiger Abend am 23.11.1997. In einer nie für möglich gehaltenen Energieleistung, Heidepriem’s Gesundheit ist angeschlagen, warb der glühende Verfechter der Jazz-Klassiker für die Kompositionen, die seiner Ansicht nach heute einfach viel zu wenig gespielt werden. So sagt Heidepriem: " Gute Jazzkompositionen sind Klassiker, die gerade von den guten swingenden Musikern nicht verdrängt werden sollten. Das ist Jazzentwicklung, wie man sie (leider) von den guten Musikern heute kaum zu hören bekommt. Vielmehr verhindert der Drang nach solitischer Selbstdarstellung und die Verwirklichung von eigenen Kompositionen den Jazz. Damals spielte ein Herbie Hancock Jazz, heute ist es E-Musik, die jeder Musikhochschullehrer spielen könnte."

Nun der Abend zeigte, zu was "echte Jazz-Musik", wenn man Heidepriem folgt, fähig ist. Brilliante Improvisationen von höchst unterschiedlichen, hervorragenden Musikern interpretiert, von einer Rhythmus-Gruppe der besonderen Art unterstützt und getrieben. Was Heidepriem und sein Sohn Thomas am Kontrabass, Michael Kersting am Schlagzeug und der "obercoole" Tom Nicolas an Percussion an dichtem, jederzeit treibendem Klangteppich entwarfen war "Speed" auf höchstem Niveau, schließlich hieß das Motto des Abends "Horace Silver Speed Session". Darauf verfolgten die Solisten nun unterschiedlichste Wege. Klaus Doldinger (Tenorsaxophon), der Passport-Gründer und einer der deutschen Pioniere des Jazz-Rock und der Fusion-Szene, war der coole, relaxte Funk-König des Abends, der nicht nur in wunderschönen Balladen zeigte, welch großes Feeling immer noch in ihm steckt, sondern der auch das manchmal zu esoterische, intelektuelle Spiel der anderen immer wieder auf den "Funky -Boden" von Silver zurückholte. Daneben im Kontrast, der "Modaljazz-Professor" Christoph Lauer (Tenorsaxophon), einem extrem begabten "Schüler" von John Coltrane, der mit höchster Expressivität immer wieder die Grenzen erforschte und sich und sein Instrument zum Äußersten forderte. Tony Lakatos (Tenorsaxophon) war da "irgendwo dazwischen", ich mag seinen Sound sehr, natürlich sind auch seine Soli von großer Geschwindigkeit und Ausdrucksstärke, er verliert jedoch nie die "Bodenhaftung". Dazu gesellte sich Gary Barone am Flügelhorn, der sich mit ganz eigener Note wunderbar in den "Kampf" der Sax-Giganten einreihte. So entstanden an diesem Abend aus den Silver-Klassikern, die sich im Original fast "zahm" anhören, völlig neue Interpretationen, bekamen die Kompositionen einen definitiven 90er Touch. Besonders herauszuheben ist "Sister Sadie", das war Weltklasse! Solisten, die sich in einem Oktett zusammenfinden, weil sie sich auf der Basis von "klassischen" Jazzkompositionen etwas "zu sagen haben" ist nicht nur im Sinne von Horace Silver, sondern vor allem auch im Sinne von Waldi Heidepriem, der seinem Jazzhaus einen mehr als denkwürdigen Abend bescherte. Das ausverkaufte Haus war begeistert und dokumentierte mit seinem brandenden Applaus, daß der Jazz lebt und so aktuell wie eh und je ist.

Schon der Abend zuvor mit dem glänzend aufgelegten Peter Herbolzheimer und seinem Bundes-Jugend-Jazz-Orchester (Bujazzo), das sich aus den besten deutschen Nachwuchsmusikern zusammensetzt war ein Big-Band Abend der Extraklasse. Es gibt wenige deutsche Big Bands, die über einen so formvollendeten Sound verfügen und die so talentierte Sängerinnen, erinnern Sie sich noch an "Fever"(?!), und Sänger featuren. Von der "gewichtigen" Persönlichkeit des Bandleaders und Arrangeurs ganz zu schweigen.

"Doch gerade im Freiburger Jazzhaus müssen wir die "Jazzlinie" pflegen und unterstützen" fordert Heidepriem, man kann ihm nur zustimmen und weiterhin Gesundheit wünschen.

Ihr,

Christian H. Hodeige

Programm Januar 1998

Donnerstag 1  
Freitag 2 Rock
Scaramouche
Support: Pike
 
Samstag 3 Funky Dance Night 2200
Sonntag 4 Tanztee: Rolf Dresmann Band
Modern Jazz : Session Time
1600
2100 Eintritt frei
Montag 5    
Dienstag 6 Tanz- und Salonmusik:
La Chambre Séparée
1600
Mittwoch 7 Vocal Jazz
Carla Cook & Friends
Donnerstag 8 Hotjazz, Dixie, Swing & Blues
Royal Garden Five
Featuring Simon Holliday
Freitag 9 Electro - Jazz
Tied Tickled Trio
Featuring Console
 
Samstag 10 Blue Babies
Sonntag 11 Tanztee: Wilfried Schneider Quartet
Modern Jazz : Session Time
1600
2100 Eintritt frei
Montag 12 Newcomer Doppelkonzert
Emigrated from the World
Nope
Dienstag 13  
Mittwoch 14 Tango
Silvana Deluigi
Feat. Renaud Garcia Fons & Jean Louis Matiner
Donnerstag 15 Waideles Conversation
Freitag 16 Thumb
Support: 59 Times in Pain
Samstag 17 Bluesquamperfekt
Sonntag 18 Tanztee: Rolf Dresmann Band
Modern Jazz : Session Time
1600
2100 Eintritt frei
Montag 19 Jazz & Rockschule Freiburg
Pickup the Harp
Blues 'n' Boogie Strike
Dienstag 20 Acoustic Pop & Folk
Distant Friends
Mittwoch 21 Vivid
Support: Lovebugs
Donnerstag 22 ZigeunerJazz & Swing
Four Gypsies
Freitag 23 Fred Frith Guitar Quartett
David Thomas & Two Pale Boys
 
Samstag 24 Afro, Reggae
Chikalé
Sonntag 25 Tanztee: Wilfried Schneider Quartet
Dadaistisches Sprechtheater
Oder ist es gar nichts ......
1600
2100
Montag 26 Jazz & Rockschule Freiburg
Jam Session
Eintritt frei
Dienstag 27 Klezmer
Colaleila
Mittwoch 28 Label Hopi Tour
Hopi Quartet
Duo Frank Tortillier
Vincent Courtois
Donnerstag 29 A Capella aus GB
Flying Pickets
Freitag 30 Indie - Rocknacht
Geschmeido
Toxic Guineapigs
Crank
Samstag31 Pili Pili  

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