Jazzhausjournal April 1998

jjokt98g.jpg (46855 Byte)Editorial

Jazz im Freiburger Jazzhaus - Betrachtungen zu Konzerten im April

"Ihr müsst endlich mal wieder richtigen ‘Tschäßßß’ bringen!", "Was meinen Sie damit?", "Ja, halt so richtigen ‘Tschäßßß’, halt eine ‘Seschenn’, und so!" Nicht immer geht es so skuril komisch ab, die oft endlosen Debatten über das richtige Jazzhaus-Programm. Den manchmal erhobenen Vorwurf, wir machen zu wenig "richtigen" Jazz, kann man, wenn man beispielsweise das April-Programm konsultiert, nur weit von sich weisen. Und dann, was ist das überhaupt, der "richtige" Jazz?

Zitieren wir einen der Großen der deutschen Jazzlandschaft, zum Mitschreiben: "Den Auspruch ‘Der Jazz ist tot’ habe ich solange gehört, wie ich Musik mache, immer wieder, und er hat nie gestimmt, auch wenn der Jazz, abgesehen von der Swingzeit und der Zeit des Oldtime-Revivals nach dem Krieg nie richtig populär gewesen ist. Das wird er wahrscheinlich auch nie werden. Was seine Zukunft angeht, so wird es weitergehen, wie es immer weitergegangen ist....Man sollte also mit Prognosen sehr vorsichtig sein. Wenn ich dennoch zu zweifeln wage, daß es in Zukunft eine von vielen verfolgte Stilrichtung geben wird, dann nicht, weil ich glauben würde, es gäbe in Zukunft keine originellen Musiker mehr, oder der Jazz sei ausgereizt. Im Gegenteil, ich sehe, daß der Jazz sehr viel vielschichtiger geworden ist und daher ein immens breites Spektrum an Möglichkeiten bietet, individuelle Ausdrucksweisen zu entwickeln. Nie zuvor hat es diese Vielfalt gegeben." (Albert Mangelsdorff in Bruno Paulot: Albert Mangelsdorff - Gespräche; Oreos; 1993). Improvisierte Musik hat heute so viele Spielarten, daß man sich die Mühe machen sollte, den Jazz in seiner ganzen Vielfalt, statt Einfalt, zu entdecken.

Freiburgs Großmeister, ‘Mr. Jazz’, Waldi Heidepriem, selbst ein ausgesprochener Kritiker der Entwicklungen im Modal-Jazz, verwirklicht sich einen Traum, der einerseits zurück zu den Ursprüngen der Jazz-Baladen von Duke Ellington, Georges Gershwin, Roger & Mart, Cole Porter, Miles Davis u.v.a. führt, andererseits ein gestalterisches, musikalisches Konzept verwirklichen wird, das in seiner Art einmalig sein dürfte, eine Uraufführung also. Albert Mangelsdorff wird, mit seinem wunderbar gefühlvollen Ton auf der Posaune, prädestiniert für Balladen, zusammen mit dem oft sentimental-melodisch aufspielenden Gary Barone am Flügelhorn die Soli übernehmen. Thomas Heidepriem am Baß und Michael Kersting an den Drums stellen, zusammen mit vier Streichern (!), die Rhythmusgruppe um Waldi Heidepriem dar. Alle Arrangements sind von Heidepriem selbst geschrieben, es werden zwei Blocks mit je fünf Balladen gespielt, die Übergänge werden konträr zu dem nächstfolgenden Stück vom Pianisten improvisatorisch gestaltet. Also, Vorspiel von Heidepriem, dann eine "leichte" Themavorstellung. Im zweiten und dritten Chorus kommen die Streicher dazu, im Schlußchorus geht es dann wieder zurück ins Thema. Einmalig, zwei Gestaltungstänzerinnen, die die Zwischenspiele und einige Chorusse mit schwebendem Tanz untermalen. Ein wirklich vielversprechender, anderer, individueller Ansatz vom nimmermüden Vorsitzenden des Freiburger Jazzhauses und eine Homage an seinen, den "richtigen" Jazz. Wir sind mehr als gespannt auf den 26.04.1998.

Courtney Pine, der englische Autodidakt am Saxophon und der Querflöte, gilt als das Jazz-Wunderkind der Insel schlechthin. Schon mit 20 war er eine lokale Berühmtheit in Brixton, brachte den anfangs unverhofft zuhörenden "Locals" die Schönheit improvisierdener Musik bei. Seine letzte CD ‘Underground’, (Polygram 31453 77452), seine Auseinandersetzung mit Drum&Base, "...da steckt ein wenig Ragga, ein bißchen Techno und HipHop drin. Und ein wenig Jazz ist auch dabei. Irgendwann habe ich festgestellt, daß all die Dinge, die ich spielen wollte, in Drum&Base bereits vorhanden waren. Alles war schon drin, nur nicht ich selbst."(jazzthing, Nr. 21), ist ein ertaunliches Beispiel für die "neue Vielfalt". Und so kontrastiert Pine die soulig, jazzigen Melodien seiner Live-Band, die Rhythmen, die Breaks und Samples vom DJ Pogo, mit seinen Coltrane-igen Phrasen und stark and Rollins angelehnten Improvisationen. Das ist eine Richtung des Jazz. Zu hören ist Courtney Pine, der moderne Klassiker, mit seiner Band am 05.04. im Jazzhaus.

Nicht zuletzt seit ‘NuYorican Soul’ ist der Latin-(Big)-Band-Leader, Composer und Piano-Player der Extraklasse Eddie Plamieri einer großen Fangemeinde bekannt. Seit den 70ern ist dieses Latin-Urgestein auf den Grenzpfanden zwischen Latin, Salsa, Afro-Carriebean Music und Jazz unterwegs, um nur immer wieder festzustellen, daß all diese musikalischen Richtungen ihre Ursprünge in den afrikanischen Trommel-Rhythmen finden. Seine 1996 erschienene CD ‘Vortex’ ( RMM 003099 765023) ist ein gelungenes Beispiel für seinen eigenen, multikulturellen Ansatz. Palmieri ist in großer Besetzung am 01.04. im Jazzhaus zu Gast.

Kuba hat im Osten eine Bergkette, die heißt Sierra Maestra, so heißt auch eine der angesagtesten Formationen der Insel, seit 22 Jahren macht dieses Outfit Son-Musik, eine unverwüstliche, extrem tanzbare Stilrichtung, die Wurzel allen Mambo’s, Cha-Cha-Cha’s oder Salsa. Ihre aktuelle CD ‘Tibiri Tabara’ ( World Circuit 69233 00512) ist schon jetzt ein von der Kritik hochgelobter Renner. Natürlich fehlt auch keine ordentliche Prise Afro-Cubanischem Jazz. Grund genug sie am 25.04. im Jazzhaus zu hören, oder?

Über Kinikoh Hoh und Aki Takase kann ich nicht viel sagen, nur daß sie schon als die "japanische Shirley Bassey" gefeiert wird. Japanischer Vocal-Jazz ist nun sicher etwas außergewöhnliches in unseren Breiten. Am 22.04. zu hören.

Zum Abschluß noch ein Soul-Schmankerl, das ich Ihnen auch ans Herz legen möchte. Rufus Thomas hat in den 40ern als Radio DJ Blues- und Soul-Legenden wie B.B. King oder Isaac Hayes mitentdeckt. In den 50ern machte er mit dem berühmt-berüchtigten Stax-Label ein bißchen Furore. "Cause I Love You", "Walking The Dog" oder "Can Your Monkey Do The Dog" waren einige seiner Hits. Ein sicher ganz gelungener Einstieg in das fast vergessene Schaffen von Rufus Thomas ist die CD ‘Can’t Get Away From This Dog’ ( Fantasy 25218 8569 2). Diesen Old-Time-Soul-Bruder kann man am 15.04. im Jazzhaus hören.

Also, ist das jetzt der "richtige" Jazz, oder nicht?

Herzlichst, Ihr

Christian H. Hodeige

Programm April 1998

Mittwoch 1 Latin Jazz & Salsa
Eddie Palmierie Orchestra
Donnerstag 2 Dixie Stammtisch-Session
Freitag 3 Afro-Jazz
Ben's Belinga
Samstag 4
Funky Dance Night
Sonntag 5 Dancefloor Jazz
Courtney Pine
Montag 6
Modern Jazz
Ralph Baumann Quintett
Dienstag 7
New Age Jazz
Friedemann
Mittwoch 8
La Noche de la Salsa
Donnerstag 9
Boogie-Feuerwerk
Vince Weber & Michel Pertiet
Freitag 10
Drum'n Bass & Neo Dub
Audio Active (Japan) & Plexiq (23-3H)
Samstag 11
Funky Dance Night
Sonntag 12
The Beat goes on
(70s Dance Party mit DJ Thomas Müller/SWF3)
Montag 13
Session Time (Eintritt frei)
Dienstag 14
Gypsy Brass
Fanfare Cocarlia
Mittwoch 15 Funk & Blues
Rufus Thomas & Band
Donnerstag 16 Acid Jazz
Spice
Freitag 17
Funky Dance Night Spezial
DJ Cam
Samstag 18
Mitarbeiterfest
ab 23:00 Funky Dance Night
Sonntag 19 Easte Ska Jam '98
Laurel Aitken, Dave Barker, King
Montag 20
Semestereröffnungsfete
Dienstag 21
Tangofestival
TangoOrkestret
Mittwoch 22 Aki Takase / Kimikoh Itoh (Japan)
Donnerstag 23
Hot Club The Zigan
Freitag 24
Transatlantic Bluesmeeting
Popa Chubby & Climax Blues Band
Samstag 25
Salsa
Sierra Maestra
Sonntag 26 Waldi Heidepriem, Albert Mangelsdorff u.a.
Jazzballaden
Montag 27
David Becker
Dienstag 28
Offene Bühne des Folk & Blues Club
Mittwoch 29  
Donnerstag 30
We remember Bob Marley
Bass Culture, Natty Dread, Dr Kixx, L. Marley
(anschl. Reggae Disco)

Zurück