Jazzhausjournal Mai 1997

jjaug98g.jpg (52134 Byte)Editorial

10 und 66 und 99 Jahre - Jazzhaus, Heidepriem und Gershwin - They can’t take that away from me!

Als das Freiburger Jazzhaus im Oktober 1987 seine Pforten für die erstaunte Öffentlichkeit endlich aufschloß, prognostizierte eine hochgestellte Persönlichkeit Waldi Heidepriem: "Keine zwei Jahre werdet ihr durchhalten", in diesem Jahr wird das Jazzhaus Freiburg seinen zehnten, der Verein "Vereinigung Freiburger Jazzhaus e.V." seinen zwölften Geburtstag feiern. Hut ab!

Dieser Erfolg ist sicher auf den außergewöhnlichsten Vorsitzenden eines Kulturvereins zurückzuführen, denn ich je kennengelernt habe, der Erfolg liegt aber auch im Zusammenschluß des Folk&Blues Clubs, der Rock-Iniative, der Jazz und Rockschule, der Oltime-Jazz-Initiative, des Freiburger Jazz Clubs und unterschiedlichster "alternativen" Musikströmungen, die sich, laut in der Satzung festgeschriebenem Kulturauftrag bemühen, die gesamte Palette zeitgenössischer, aktueller Musik zu präsentieren, mit besonderer Berücksichtigung der verschiedenen Jazz-Stilarten und nicht-kommerzieller oder nachwuchs-fördernder Musik. Das alles unter einem Dach, jeden Abend. Eigentlich schon ein kleines Wunder, wie es bisher funktioniert hat. Im Oktober wird ein großes Festival gefeiert, das mit verschiedenen "besonderen" Konzerten, verteilt auf mehrere Wochen, dieses, von einigen scheinbar für unmöglich gehaltene Jubiläum zusammen mit vielen Gästen und Freunden würdigen wird. Intensiv arbeitet der Vorstand zur Zeit an Planungen und organisatorischen Veränderungen, die das Jazzhaus auch für das nächste Jahrzehnt des anbrechenden neuen Jahrtausends "fit" machen soll und den sich verändernden Rahmenbedingungen Rechnung trägt. Erinnern wir uns, die Zeiten waren gerade in den letzten Jahren gar nicht rosig. Manche Gemeinderäte wollen an die "leidigen" Debatten im Freiburger Rathaus schon gar nicht mehr erinnert werden, als dieser wichtigen Kulturinstitution fast der finanzielle "Garaus" gemacht werden sollte. Nun, es ist (für’s erste) überstanden und gerettet. Die Zeiten bleiben weiter ungewiß, also muß man die Feste feiern, wie sie kommen. Am 17.10.1997 geht es im Jazzhaus mit einem "festlichen Abend" los.

Zu diesem Anlaß, insbesondere aber für eine Preisverleihung an Waldi Heidepriem jetzt im Mai, hat der Sechsundsechzigjährige Altmeister des Modern Jazz im Dreiländereck sich wieder an’s Klavier gesetzt und spielt dieser Tage eine Solo-CD ein, mit bekannten und von ihm besonders geliebten Stücken des in diesen Tagen neunundneuzig gewordenen Songwriters Georges Gershwin. Heidepriem erhält den "Bürger-ehren-Bürger Preis 1997" der Freiburger Eleonore und Fritz Hodeige Stiftung für sein bürgerschaftliches Engagement. Ohne ihn gäbe es kein Jazzhaus, ohne ihn wäre dieser so heterogene "Club" wahrscheinlich längst auseinandergefallen, seine persönlich-musikalisch so kompromißlose Art schlägt bei der Vereinsführung genau in’s Gegenteil um: wie kaum ein anderer versteht es Heidepriem, die unterschiedlichsten "Strömungen" an einen Tisch zu setzen, redet Waldi mit dem Oberbürgermeister und dem Punker, dem Professor und dem Sozialhilfeempfänger. Einmal kräftig auf die Schulter "gedonnert", fast alle Sätze, die mit einem lauten "Verschteh’sch?" enden, dirigiert der Pianist und Handwerksmeister seine "Gesprächspartner" mit fast schlafwandlerischer Sicherheit in die von ihm angestrebten "Zielhäfen", immer zum Wohl "seines" Jazzhauses, natürlich so, wie er es versteht.

Niemand kann ihm (lange) böse sein, fast alle erliegen diesem Charme des "Ahnungslosen" - seine Wortbeiträge, Waldi-Speak, bei Vorstandssitzungen, Mitgliederversammlungen etc. sind heute schon legendär, er weiß, wie wenige, daß man in schwierigsten Zeiten nur mit persönlichem Engagement "beeindruckt" und weiterkommt. Ich möchte nicht wissen, wieviel privates Geld Heidepriem (wenn ein Konzert mal wieder nicht so gut lief), aus dem eigenen Geldbeutel "gesponsort" hat, wie vielen Menschen er ganz persönlich "geholfen" hat. Kein Abend, fast kein Abend im Jazzhaus, ohne seine Präsenz, ohne seine persönliche Ansprache im Foyer, Waldi ist für alle zu sprechen, redet, glättet, vermittelt, schimpft, braust auf, lacht, versöhnt und bringt sich ein, er zieht Konflikte auf sich, weil er weiß, daß er sie, wenn nicht lösen, dann zumindest ertragen kann. Heidepriem hat bis zur physischen Aufgabe in den oben beschriebenen "harten" Wochen für das Jazzhaus gekämpft, sein persönliches Engagement ist Vorbild für viele, sich in dieser Stadt für die "freie" Kultur und die damit verbundene Lebensqualität einzusetzen und sich persönlich durch ihr Tun, nicht durch ihr Reden einbringen, dafür wird er jetzt, nachdem er im letzten Herbst das Bundesverdienstkreuz erhalten hat, von Freiburgern in Freiburg geehrt. Ein wichtiges Signal!

Heidepriem hat seine große Liebe zu Gershwin (wieder)entdeckt. Dessen damals neue, harmonische Melodien, "die eine freie, stilistische Interpretation ermöglichen und durch eine entsprechende Improvisationskunst zu klassischen Konzertwerken ausgearbeitet werden können", so der erfahrene Jazzpianist, mit individueller Stilistik und einem "absoluten Gehör", sind wahrscheinlich die Begründung einer eigenständigen "amerikanischen Klassik". Gershwin’s harmonische Melodiebögen, seine Konzertmotive, sind heute schon "unsterblich". Seine bewußten, vielmehr aber seine unbewußten Jazzelemente haben stilbildende Musiker, vor allem Jazzpianisten, für ihre eigenen Improvisationen von Anfang an zu Grunde gelegt. Selbst einem Jazz-Harmonica-Spieler, wie dem kürzlich achtzig Jahre alt gewordenen Larry Adler, persönlich mit George und Ira Gershwin befreundet, sind große, unvergessene Gershwin-Interpretationen gelungen.

Für Heidepriem ist es wichtig, Gershwin nicht zu deformieren, vielmehr soll die musikalische Aussage, durch gehaltvolle "Steigerung" der in sich eher "simplen" Songthemen, erweitert und "verbessert" werden. Alle großen Epochen-Meister des Jazz haben Gershwin-Motive in "ihr Spiel" integriert: Errol Garner, Duke Ellington, Bud Powell, Thelonious Monk, Oskar Peterson, Bill Evans oder die Formationen von Charlie Parker oder Miles Davis. Natürlich akzeptiert Heidepriem auch die Zeitgenossen von Gershwin, wie z.B. Cole Porter, Jerome Kern, Oscar Hammerstein I oder Irving Berlin, für ihn sticht Gershwin jedoch, mit seinem so eigenen, neuen Stil, aus dieser Schar weiterer "klassischer amerikanischer Komponisten" heraus.

Ich hatte das große Vergnügen und die Ehre bei einem "Vorab-Konzert" dabei zu sein. Seit über einem Jahr "arbeitet" Heidepriem an diesem Konzept, nicht nur hat er alle wichtigen Gershwin-Einspielungen gehört, er ist auch tief in das Leben und Denken dieses Komponisten eingetaucht. Nach dem, was wir gehört haben, kann man nur sagen, Heidepriem’s Gershwin wird eine Wucht. Freuen wir uns gemeinsam auf die CD und seine Konzerte!

Do what you do, Ihr

Christian H. Hodeige

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