Jazzhausjournal Januar 1997

jjaug98g.jpg (52134 Byte)Editorial

"Götter in Schwarz" oder "Räuberpistolen" der Musikindustrie

Michael Jackson hat an Neujahr sein ohnehin aus den Nähten platzendes Bankkonto um eine Million US-Dollar bereichert, als er zum Jahreswechsel auf der Party des reichsten Menschen der Erde, des Sultan von Brunei ein Privatkonzert gab. Vor ihm haben schon MC Hammer und Whitney Houston solche Schecks nach Hause gebracht, nachdem sie den Ölscheich und seine Untertanen zu Silvester angemessen unterhalten haben. Der immer bleicher werdende Jacko ist eh wieder in allen Klatschspalten zu Hause wegen seiner überraschenden Heirat seiner persönlichen Krankenschwester und dem sieben Millionen US-Dollar (?) Baby, das seine weiße Frau, ohne den dazu notwendigen Liebesakt, angeblich unter ihrem Herzen trägt. Das androgyne Kunstwesen, zu dem sich Jackson gemacht hat, wird hoffentlich bei seinem Baby nicht wieder Schöpfer ex post spielen wollen. Und obwohl auch ich als ehemaliger Jackson-Follower nicht müde werde, mich enttäuscht und fassungslos über mein verlorenes Idol auszulassen, zieht Michael unbeirrt seine Bahnen und hat mit "You Are Not Alone" und "Stranger In Moscow" zwei verdammt gute Singles im Markt plaziert. Kürzlich habe ich meine Frau beim Hören der zweiten Disc von History: Past, Present And Future Book I "erwischt", "solltest Du auch mal vorbehaltlos anhören", meinte sie. Einigermaßen zerknirscht muß ich ihr, wie so oft, recht geben.

TANKAT: The Artist Now Known As TAFKAP: The Artist Formerly Known As Prince, oder wie auch immer man das "Symbol" nun nennen soll oder muß, oder Prince Rogers Nelson, oder wie auch immer - grandioser Marketing Plot, dieses eigenwilligsten kleinen Genies der schwarzen Musiklandschaft - hat nach dem Ende seiner "Sklavenzeit" mit Warner Brothers, die dem so entrechteten immerhin Millioneneinnahmen und ein eigenes "Prince-World", alias Paisley Park, bescherten, mit Emancipation ein dreiteiliges CD-Set vorgelegt, das die ganze musikalische Vielfalt dieses Pendlers zwischen Schwarz und Weiß, zwischen Mann und Frau, zwischen Soul, Funk, straightem R&B und Pop einerseits aufzeigt, andererseits die Unfähigkeit "seiner Durchlaucht" zwischen Schrott und Jahrhundertsongs zu unterscheiden wieder einmal deutlich hervorhebt. Emancipation hat hervorragende Cuts, wie "Sex In The Summer", "Get Your Groove On", das von Cab Calloway beeinflußte "Courtin’ Time", "Jam Of The Year", die Cover-Versionen von den Stylistics’ "Betcha By Golly Wow" und den Delfonics’ "La, La, La Means I Love You" oder "Style" und die Ballade "The Love We Make", sie überzeugen sogar einen Tafkap-Kritiker, wie mich. Aber was der frisch vermählte, gerade sein erstes Baby verloren habende, sich selbst als Gottes-Geschenk-Ans-Universum haltende Maestro der Provokation und des Kommerz sonst noch für selbstverliebten Mist auf diese nicht enden wollende CD gebrannt hat, kann einen schon Nerven kosten. Die guten Nachrichten sind: Tankat ist wieder da, manchmal in Hochform, die schlechten Nachrichten sind: Tafkap verspricht in den Sleeve-Notes bald wieder ein Tripple-Set vorzulegen. Gott bewahre uns.

Die Räuberpistole der letzten Wochen schlechthin aber kommt aus England, von meinen Freunden Ian und Kevin, Besitzer des Plattenversandes "Souled Out CD’s" und betrifft den amerikanischen "Bad Boy" des Rap: Tupac Shakur, der am 07.09.96 in Las Vegas vier mal angeschossen wurde und sechs Tage später gestorben ist. Oder etwa nicht? "Letztendlich geht es doch nur um eins: ums Geschäft" sagt der vom Saulus zum Paulus gewandelte Snoop Doggy Dogg (Musikexpress Nr.1/97) ein Mitstreiter Tupac’s, also hören wir mal zu:

  1. Tupac starb an einem Freitag, den 13.
  2. Las Vegas ist eine Stadt des schnellen Geldes und der "käuflichen" Personen in allen Lebenslagen.
  3. Der weiße Cadillac, den die Mörder fuhren, ist bis heute nicht gefunden worden. Ungewöhnlich, bei einem Get-Away-Car.
  4. Der weiße Cadillac fährt durch eine Autoprozession von Tupac’s Freunden, viele waren Bodyguards. Niemand verfolgt die Angreifer, es gibt keine Zeugen, niemand steht auf der Straße und hat was gesehen? Warum?
  5. Machiavelli ist der Name der derzeitigen Tupac CD. Der italienische Kriegsstratege hat mehrfach seinen eigenen Tod vorgetäuscht, um seinen Angreifern zu entgehen.
  6. Tupac sieht auf seiner CD aus wie ein schwarzer Jesus. Gibt es eine Wiederauferstehung?
  7. Las Vegas liegt inmitten einer Wüste. Warum gibt es keine groß angelegte Fahndung?
  8. Einen Tag (!) nach seinem Tod wir die Leiche verbrannt. Es gab keine Autopsie!
  9. Las Vegas wird vom Mob beherrscht. Niemand bringt jemanden um, ohne quasi vorher "um Erlaubnis" zu bitten. Was haben die Bandenkriege der Rapper mit dem Mob zu tun?
  10. 13 mal wurde auf Tupac’s Auto gefeuert. Er wurde 4 mal getroffen. Sein Freund, Produzent und schwergewichtiger "Pate" des Death Row - Labels, Marion "Suge" Knight, hat nur einen Kratzer abgekriegt, obwohl er das Auto fuhr.
  11. Nach Suge’s Aussagen konnte er sich auf der Fahrt ins Krankenhaus noch mit Tupac unterhalten. Wie schwer war er denn dann verletzt?
  12. Tupac spielt in zwei Filmen, die noch released werden mit. Es gibt genügend musikalisches Material für drei weitere CDs. Durch seinen Tod ist Tupac auf allen Titelseiten!
  13. Sein momentanes Musikclip "I Ain’t Mad At Ya’" sagt seinen Tod voraus.
  14. Tupac hat immer kugelsichere Westen getragen, nur an diesem Abend nicht. Warum?
  15. Die Gottesdienste zu seinen Ehren wurden im letzten Moment in Los Angeles und in Atlanta gecanceled.
  16. Suge hat vierzehn Tage vor diesem Anschlag eine Lebensversicherung auf Tupac in Höhe von 13 Millionen US-Dollar abgeschlossen.
  17. Es gibt anscheinend keinen Arzt, der das Strebedokument unterschrieben hat.
  18. Machiavelli ist ein Anagram - "I am alive"
  19. Kevin hat Tupac vor Weihnachten in Brixton gesehen.

So, so. Also entweder ist das eine der größten PR-Aktionen, die, die an Skandalen und absonderlichen Geschichten nicht arme Musikindustrie je erlebt hat und wird einen, vielleicht zu Ostern wieder "auferstehenden", Tupac Shakur zum berühmtesten und best verkauftesten Künstler aller Zeiten machen, oder wir haben es mit einer dieser Räuberpistolen zu tun, die auch in 20 Jahren noch die Gemüter erhitzen werden. Sicher ist, daß der todbringende Bandenkrieg zwischen den rivalisierenden "Bloods" und "Crips" sich tief in die (Gangsta-) Rapper-Szene hineingefressen hat und in der East- Westcoast-Auseinandersetzung eine zentrale Rolle spielt. Sicher ist auch, daß der ehemalige Football-Spieler Marion "Suge" Knight noch nie so viel Geld mit seinem Schützling Tupac Shakur verdient hat, wie zur Zeit.

Wir dürfen gespannt sein und uns wundern. Ihr,

Christian H. Hodeige

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