Jazzhausjournal August 1997

jjaug98g.jpg (52134 Byte)Editorial

Die Mutter aller Boy-Groups: The Four Tops and The Temptations

Boy-Groups ohne Ende. Kein Tag, an dem nicht irgendein unendlich cool dreinblickendes Milchgesicht sich via Interview in der Zeitung feiern läßt, kein Tag ohne Clip an Clip der "Buben-Combos" in MTV mit Schlabberhosen und "Killerblicken" der Jungstar-Art. Kreischende Teenager, die beim Anblick des Heißgeliebten sofort und ohne Vorankündigung in Ohnmacht fallen, Polizei, die einen Auftritt von Mark Owen im Freiburger Musikfachgeschäft "O-ton" verhindert, da man ein Verkehrschaos befürchtet, selbst das alte ehrwürdige Wimbeldon mußte jetzt mit "Boy-Group made in Germany" untermalt werden. Die Welt im Boy-Group Fieber? Natürlich gab’s das alles schon einmal. Auch wenn viele glauben New Edition, Boys II Men, As Yet, Take 6 oder The Passadenas wären die Vorbilder, weit gefehlt, ich erlaube mir zwei der legendärsten R&B Outfits aus Berry Gordy’s "Mowtown-Kaderschmiede" zur Mutter aller Boy-Groups zu erklären: die Four Tops und die Temptations.

Nicht nur produzierten beide Gruppen in ihren jeweiligen Karrierehöhepunkten Hits am Fließband, die längst Klassiker der R&B-Geschichte sind, sondern machten mit ihren modisch-schrägen Klamotten schon damals Trends. Insbesondere aber mit ihrer ausgefeilten Choreographie, die Tempatations schufen ihren eigenen "Temptations Walk", versetzten die Four Tops und die Temps die "Massen" in Verzückung. Sagt der heute 55-jährige Temptations-Mitbegründer Otis Williams: "But I still have fun doing the dance steps, in fact, I have more fun doing them now than when we first started out. I still love it even after all these years."(Blues&Soul, Nr.733). Wer einmal das Video "The Temptations And The Four Tops" (1988 Motown Video, 014138 040475) gesehen hat, der weiß von welcher "Magie" ich hier leider nur schreiben kann. Auch wenn ich mir jetzt sicher den Zorn vieler zuziehe - ich bitte für einen älteren Herrn um Nachsicht - , Dance-Routinen studiert man am besten bei den "Erfindern" der "Boy-Group-Movements". Doowop hat mit dem teils jämmerlichen "Rumgehopse" der heutigen Zeit nun mal nichts, aber auch gar nichts zu tun.

Mit großer Trauer ist dieser Tage der Tod von Lawrence Payton, einem Mitglied der Four Tops, aufgenommen worden. Er starb in seinem 59. Lebensjahr an Leberkrebs. Die Tops waren überhaupt immer die stabileren, die ruhigeren, die, die sich weniger Schlagzeilen und Skandale leisteten. Der heute noch außergewöhnliche Tenor von Levi Stubbs Jr., dem unumstrittenen Leadsänger der Tops, wurde und wird eindrücklich unterstützt von den Harmonien der übrigen drei: Renaldo "Obie" Benson, Abdul "Duke" Fakir und Lawrence Payton. 1965 ging mit "I Can Help Myself" die Hitmaschine richtig los, wenn man den "Mowtown Sound" je definieren wollte, dann mit diesem Lied. "Baby I Need Your Loving" und die definitive Soul-Hymne "Reach Out I’ll Be There" machten die Four Tops in 1965 zu Weltstars. Welcher (Schwarze) Act konnte in England damals mit den Beatles konkurrieren? Richtig, die von Hit zu Hit jagenden Four Tops. Levi’s klagender, herz-erwärmender und doch so kraftvoller Gesangs-Stil wurde Vorbild für Generationen danach. Seit 40 Jahren sind diese Herren nun im Geschäft, wer wird den so charmanten Lawrence Payton ersetzen? Eigentlich sind all ihre CD’s und natürlich ihre frühen Alben zu empfehlen, unter den jüngeren Scheiben stechen Back Where I belong(1983), Magic (1985) und Idestructible (1988) hervor.

Um einiges komplizierter liest sich die Geschichte der Temptations. Nachdem der großartige Melvin "Blue" Franklin vor kurzem verstarb, ist Otis Williams der einzige noch aktive "Ursprungs-Temp", der 1962 formierten Vorzeige-Truppe. Die großen ehemaligen Leadsänger David Ruffin, der Falsetto-Sänger schlechthin, Eddie Kendricks, der wie kein anderer seine Emotionen in einen Song legte und Paul Williams sind tot. Letzterer erschoß sich, nach seinem Ausschluß aus der Gruppe, die seinen Drogen- und Alkoholmißbrauch nicht mehr ertragen konnte. Die frühen Hits, wie "The Way You Do The Things You Do", "My Girl", "It’s Growing", "Since I Lost My Baby", "Get Ready" oder "My Baby" haben längst Klassiker-Status.

Rein und Raus, es war immer ein Kommen und Gehen. Meist gab es Streit um das Rampenlicht, dann wieder verlangten einzelne Mitglieder "Extrawürste" oder waren so im Drogentaumel, daß nichts mehr lief. So erging es auch meinem persönlichen Lieblings-Leadsinger Dennis Edwards. Er war ein "Quiet-Storm"- Bariton der Sonderklasse, mit kraftvollem, herausgepressten Delivery, das einem frühen Teddy Pendergrass zur Ehre gereicht hätte. Mein favourite track ist "I Wonder Who She’s Seeing Now" auf der so vielsagend titulierten Scheibe Together Again (1987). Dennis Edwards hatte auch Solo einen großen, überragenden, unter die Haut gehenden Hit "Don’t Look Any Further" (1984) mit der Michael Jackson Entdeckung Siedah Garret. Ich habe Edwards mit seiner "Temptation Review-Gruppe" in einem Schweizer Skiort (!) gehört und es tat mir weh, einen so begnadeten Sänger anzuhören, der langsam, aber inzwischen sicher, seine Stimme verliert. Er "schreit" zwar immer noch was das Zeug hält, aber die Stimmbänder sind durch ständige Überbeanspruchung schlichtweg "hin". Leider schafft Edwards es nicht aufzuhören.

Der inzwischen auch gechasste Ali-Ollie Woodson war als Lead für die grandiosen Singles "Treat Her Like A Lady" auf Truly For You (1984) und "Lady Soul" auf To Be Continued (1986) verantwortlich. Seine Alto-Stimme ist leider nicht mehr im aktuellen Line-Up vertreten, das sich zur Zeit aus Otis "Dallas" Williams, Ron Tyson, Harry Berry und Theo Weekes zusammensetzt. Ihre letzte CD For Lovers Only wurde in England gerade mal fünf Monate zum Verkauf angeboten. Schade drum, den Temptations ist ein Comeback zu wünschen.

Zurück zu besseren Tagen. Ein Klassiker ist das von Berry Gordy produzierte The Temptation Reunion-Set (1982). Hier sind noch einmal Williams, Franklin, Kendricks, Ruffin, Edwards, Street und Leonard in einer furiosen Tour de Force zu hören, mit Songs von Rick James, Barret Strong, Kerry Ashby, Ken Hirsch und William "Smokey" Robinson. Für alle Temptations-Freunde ist diese Scheibe ein Muß!

Wer das Glück hat ein inzwischen vergriffenes Video, "Motown 25: Yesterday, Today, Forever" (1985, 013119103024)zu besitzen oder zu "finden", kann einen der schönsten "Song-Battle" zwischen den Temptations und den Four Tops erleben. Zwei Boy-Groups auf ihrem Höhepunkt. Perfektion pur und emotionaler Vokal-Soul, der keinen kalt läßt.

In diesem Sinne und nichts für ungut,

Ihr

Christian H. Hodeige

 

Programm August 1997

Freitag 1 Funky Dance Night
Samstag 2 Saturday Dance Party
Dienstag 5 Country & Bluegrass
Mittwoch 6 World Music
Setona
Donnerstag 7 Franz Stibal's Oldtime Jazzer
Freitag 8 Funky Dance Night
Samstag 9 Salsa
Tropicosón
Montag 11 Jazz- & Rockschule Freiburg
Dozenten - Session Vol. 1
des "national guitar summer workshops"
Mittwoch 13 Jazz- & Rockschule Freiburg
Dozenten - Session Vol. 2
des "national guitar summer workshops"
Donnerstag 14 Charly Romann's Dixie Swingers
Freitag 15 Funky Dance Night
Samstag 16 World Music
Bayete
Dienstag 19 Folk & Blues Club
Offene Bühne
Mittwoch 20 La Noche de la Salsa
Donnerstag 21 Ray Austin's
Jazz'n'Blues Band
Freitag 22 Saturday Dance Night
Dienstag 26 Folk & Blues Club
Offene Bühne
Donnerstag 28 Dixie Stammtisch Session
Freitag 29 Rock
Dead Moon (USA)
Samstag 30 Saturday Dance Night

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