Tap is Back in the Big Apple and its a Black Thing
"Bring in Da Noise, Bring in Da Funk" ist ein neues Broadway-Musical im Ambassoador Theatre (New York), das nicht nur vier Tony Awards (der Oscar für Musicals und Broadway-Shows) gewonnen hat, sondern eine fast vergessene Kunstform wieder ins Leben ruft: den Steptanz oder Tap Dancing. Außergewöhnlich an diesem Stück, das die afro-amerikanische Geschichte an Hand von perkussiven Rhytmen aus der Sklavenzeit, über die Rassenunruhen in der 30ern, die Civil-Rights Bewegung der 60er bis zu der im "Ghetto" mitte der 80er enstandenden Kunstform Rap, verfolgt, ist die klare Message: Tap is Black. Vergeblich wartet der nichtsahnende Zuhörer auf so "Ähnliches" wie von Fred Astaire, Ginger Rogers, Gene Kelly, Marika Röck oder fünfzig Personen starke Frauenformationen, die eine gewaltige Treppe hinuntersteppen - nichts dergleichen passiert. Stattdessen bekommen wir den "Mund nicht mehr zu" vor lauter ungläubigem Staunen, was der "Evangelist Of Tap", Savion Glover in diesen 2 ½ Stunden mit seiner begnadeten Truppe vorführt. Tap-Magie pur! Ich hatte bis dato nichts vergleichbares in meinem Leben je gesehen oder gehört.
"These are our expressions, and my style is raw, rough and ragged" sagt der erst 22-jährige Glover, der mit einem solch gewaltigen Temperament, einem fast unglaublichen Rhythmusgefühl ausgestattet ist und mit seinen Füßen improvisiert, wie ein Bebopper. Das hat nichts mit wildem Armgeflatter, zwei-rechts, zwei-links Gehopse und breitem Vaudevill-Grinsen zu tun, sondern "we want to treat it in a more serious way, to express all sorts of things - fun, anger, happiness, sadness, intensity, reality." Glover sieht sich in der Tradition von Jimmy Slyde, Leon Chaney, Honi Coles, Chuck Green, Buster Brown, Ralph Brown (kennen Sie diese Künstler? Ich leider(!) auch nicht.) und seinem noch lebenden "Vorgänger" Gregory Hines. Was bei Sammy Davis jr. oder schon nachhaltiger bei Gregory Hines eher als "Beiprodukt" eines Musicals oder einer Liebesgeschichte halt so dazugeliefert wird, rückt bei "Bring in Da Noise, Bring in Da Funk" in den Mittelpunkt, Geschichten als Rhytmen, ausgedrückt durch Tap.
"Were trying to represent tap on a funk-type, hip-hop level, but also on a jazz, or reggae, or salsa level", erklärt Glover dem staunenden Publikum, "but the important thing is hitting it: hitting the beat or the pulse, finding the groove you can ride, using your feet like a drum." Regieseur George C. Wolfe hat nicht nur eine ganz außergewöhnliche Truppe an jungen Künstlern um dieses Ausnahmetalent geschart, sondern auch zwei Drummer rekrutiert, die auf Plastikeimern, alten Töpfen, Topfdeckeln, Eisenkonstruktionen nun ihrerseits ihr großes Können vorführen. Glover möchte langfristig seine eigenen Tap-Schulen gründen, "to keep the dance alive, to keep it out there, to keep the style burning".
Überhaupt spielt das Mit- oder Gegeneinander der unterschiedlichsten ethnischen Bevölkerungsgruppen, der sozialen Schichten, derer, die sich etablieren konnten und derer, die ihren Platz in der amerikanischen Gesellschaft immer noch (oft mit sprichwörtlicher Gewalt) suchen eine zentrale Rolle im Leben dieser Metropole. Die Sängerin Gloria Estafan, eine Cuba-Amerikanerin aus Miami, die sich als eine große Diva des Soul etablieren konnte, hat den Spagat zwischen ihren Latin-Wurzeln, ihrer weißen Hautfarbe und ihrer afro-amerikanischen Musik geschafft. "Afro-Hispanic Culture" nennt das Peter Watrous in seiner Konzertkritik in der New York Times (09.09.1996) und schreibt, daß es sich dabei nicht um "the addition of a few coconuts, two pineapples and a grass skirt" handelt. 22.000 begeisternde Fans haben die Message von Gloria Estefan, die sich inzwischen in den Staaten auch demographisch widerspiegelt - merke, Salsa Sauce hat Ketchup längst den Rang abgelaufen - , als Botschafterin dieser Afro-Hispanic Culture, des neuen "Mainstream" verstanden.
Dagegen steht der in der Presse tagelang kommentierte Mord am Westcoast Rapper, "musics bad- boy monarch", Tupac Amaru Shakur, der nach dem Besuch eines Mike-Tyson-Blitzboxkampfs am 07.09. in Las Vegas tödlich in seinem Auto von Gewehrkugeln getroffen wurde. Ob es sich hier um einen gezielten Anschlag, oder um einen Zufall handelte ist bis heute ungewiß, nachdenklich stimmt, daß sich im Shakur begleitenden 10 Fahrzeuge umfassenden Autokonvoi, nebst Leibwächtern, niemand an den Tathergang erinnern kann. Hinzu kommt, daß dies ein Tod mit "Ansagen" war, Shakur, der sich 2Pac nannte, erklärte in VIBE (April 95): "If I get killed, I want people to have the real story." Vom kleinen Drogenhändler in Marin City, "the jungle", zum Superstar des Gangsta-Rap mit über 80 Milionen US $ Platteneinahmen. Die Blutzoll fordernden Gesetze vieler amerikanischer Innenstädte, mit ihren schwarzen Ghettos, ihrer Arbeitslosigkeit, Ihrem Drogenhandel und den Gang-Kriegen, haben diesen in sich, zwischen "Macho-Schläger-Herrlichkeit" eines toughen Gangsta-Rappers und die soziale Lage einer Generation von jungen, wütenden schwarzen Jugendlichen kommentierenden Künstlers, zerrissenen 25-jährigen Musiker eingeholt. Auch das ist das heutige Amerika.
Oprah Winfrey, eine schwarze Talkshowmasterin ist die bestbezahlte TV-Frau der Welt, Bill Clinton wird meiner Meinung nach mit Längen die Präsidentschaftswahlen gewinnen, Amerika hat die meisten Arbeitsplätze der westlichen Volkswirtschaften in den letzten zwei Jahren geschafffen, Bob Dole hat die Anziehungskraft einer Geschirspülmaschine und Jazz ist in den USA die nationale kulturelle Errungenschaft schlechthin.
>Stars and Stripes, Ihr
Christian H. Hodeige